Schoa (hebräisch שׁוֹאָה = «Katastrophe», «Untergang») bezeichnet die systematische Ermordung europäischer Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland. Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff zunehmend statt «Holocaust» verwendet – steht aber ebenso im Fokus sprachlicher und erinnerungskultureller Debatten.
Der Begriff «Schoa» stammt aus dem Hebräischen (שׁוֹאָה, šôʾâ) und bedeutet wörtlich «Katastrophe» oder «grosse Zerstörung». In Israel wurde der Terminus nach 1945 verwendet, um die gezielte Vernichtung von rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs zu benennen. Im englischen Sprachraum war bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts der Begriff «Holocaust» (vom griechischen holókaustos: «vollständig verbrannt») geläufiger; in Deutschland wurde er erst durch Medienprodukte wie die US-Serie «Holocaust» (1979) allgemein bekannt.
Die Wahl des Begriffs ist nicht bloss eine sprachliche Frage: Sie steht zugleich für Erinnerungs-, Deutungs- und Gedenkkulturen. Der Begriff «Holocaust» trägt Herkunfts- und Bedeutungsnormen mit sich: Er verweist auf das Bild eines Brandopfers oder einer Totalzerstörung – was einige KritikerInnen für den Genozid an Jüdinnen und Juden als semantisch unangemessen ansehen. «Schoa» hingegen wurde innerhalb jüdischer Gemeinschaften gewählt, um eine Kontinuität biblisch-historischer Sprache zu wahren, vergleichbar mit Begriffen wie «Churban» (Zerstörung des Tempels).
Im deutschsprachigen Raum wird «Schoa» seit den 1980er- und 1990er-Jahren verstärkt verwendet. Der Dokumentarfilm «Shoah» (1985) von Claude Lanzmann trug massgeblich zur Verbreitung des hebräischen Begriffs bei. Dennoch begegnet man auch heute noch überwiegend «Holocaust», sodass «Schoa» häufig als bewusste Alternative verwendet wird, insbesondere im akademischen, gedenkkulturellen oder jüdischen Umfeld.
In der Erinnerungskultur markiert «Schoa» eine sprachliche Selbst-Benennung der Opfergemeinschaft – der Begriff beansprucht nicht nur Beschreibung, sondern historisches Zeugnis. Gleichzeitig spielt die Frage der Singularität eine Rolle: Soll die Judenvernichtung als einmaliger, unvergleichlicher Vorgang gelten – oder in eine Reihe mit anderen Völkermorden gestellt werden? Der Begriff «Schoa» wird tendenziell dann bevorzugt, wenn gerade die Einzigartigkeit der jüdischen Erfahrung betont wird.
Für die Verwendung im öffentlichen und didaktischen Kontext in der Schweiz gilt:
- Wer von «Schoa» spricht, signalisiert bewusste Ausrichtung auf jüdische Perspektiven und Erinnerungskultur.
- «Holocaust» bleibt im deutschsprachigen Alltag verbreiteter, wird aber sprachlich, moralisch und historisch zunehmend kritisch betrachtet.
- «Schoa» sollte nicht benutzt werden, um andere Opfergruppen der NS-Verfolgung (z. B. Roma, Sinti, Homosexuelle, politische Gegner*innen) automatisch mit einzuschliessen – dies kann historisch ungenau oder im Sinne einer Opfer-Gleichsetzung problematisch sein.
- Sprachlich wird «Schoa» meist ohne Artikel gebraucht, im Unterschied zu «der Holocaust» im Deutschen.
- Im Schweizer Sprachgebrauch empfiehlt sich die Schreibweise «Schoa» (ohne „h“), oder in Erinnerungskultur-Kontexten auch «Schoah», in wissenschaftlichen und internationalen Texten oft «Shoah».
Zur Bewertung: Der Begriff «Schoa» gilt als angemessener, wenn es darum geht, aus jüdischer Perspektive über das Ereignis zu sprechen. In der deutschsprachigen Öffentlichkeit bleibt «Holocaust» jedoch sprachlich dominanter, selbst wenn er zunehmend kritisch reflektiert wird. Ein Teil der Sprach- und Kulturwissenschaft empfiehlt, bewusst «Schoa» zu verwenden, um die jüdische Sprach- und Erinnerungstradition zu bewahren.
