Der Begriff «Antisemitismus» umfasst Vorurteile und feindselige Handlungen gegen jüdische Personen und Einrichtungen sowie judenfeindliche Ideologien. Diese Form des Hasses hat soziale, religiöse und kulturelle Dimensionen.
Die Wortneuschöpfung «Antisemitismus» entstand im späten 19. Jahrhundert. Im Gegensatz zum christlichen Antijudaismus war der moderne Antisemitismus eine wissenschaftlich und säkular begründete Ablehnung von Juden. Dabei wurden ältere Anschuldigungen wie Hostienschändung, Ritualmordlegende und Wucher nicht aufgegeben, sondern durch neue Vorwürfe wie «Volksschädlinge», «Schmarotzer» und «jüdische Weltverschwörung» ergänzt. Im modernen Antisemitismus verbanden sich nationalistische, antiliberale, antikapitalistische und rassistische Motive miteinander.
Der Begriff «Semiten» wurde im späten 18. Jahrhundert aus der Sprachwissenschaft und Völkerkunde übernommen und abwertend als Gegensatz zu den Indogermanen konstruiert. Die semitische Sprachgruppe umfasst auch die arabische Sprache. Der Einwand, dass Antisemitismus sich daher auch gegen Araber richte oder dass sie keine Antisemiten sein könnten (da sie selbst Semiten sind), ist allerdings nicht zutreffend: Historisch und aktuell bezeichnet Antisemitismus ausschliesslich die Feindschaft gegen Juden.
Im Jahr 1871 wurden Juden im Deutschen Reich rechtlich gleichgestellt. Dennoch entstanden neue antisemitische Parteien, Verbände und Bewegungen, die sich gegen diese Emanzipation richteten und Juden für die vermeintliche «Zersetzung» von Werten verantwortlich machten. Aufgrund des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels während der Industrialisierung fanden solcherlei Parolen eine grosse Anhängerschaft, die jedoch erfolglos blieb und schnell von der politischen Bühne verschwand. Dennoch sollte die Wirkung ihrer Agitation nicht unterschätzt werden, da weite Teile der Gesellschaft Elemente ihrer Ideologie übernahmen.
In der Schweiz wurden aufgrund internationalen Drucks die letzten Einschränkungen der Bürgerrechte für Juden auf Bundesebene durch die revidierte Bundesverfassung von 1874 aufgehoben. Dennoch waren auch danach antisemitische Motive in der schweizerischen Politik und Bevölkerung erkennbar, wie das Schächtverbot von 1893, der Diskurs über die «Verjudung» und «Überfremdung» der Schweiz nach dem Ersten Weltkrieg, die Frontenbewegung der 1930er Jahre und die antisemitisch geprägte Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs.
Heute wird Antisemitismus als Oberbegriff für alle Vorurteile verwendet, die sich gegen Juden oder das Judentum im Allgemeinen richten. Gängige Stereotype unterstellen Juden Geldgier, Blutrünstigkeit und Weltverschwörungsabsichten. Seit dem Holocaust äussern sich solche Meinungen jedoch oft indirekt anstelle von explizit. Eine grundlegende Eigenschaft antisemitischer Weltanschauungen ist die Vorstellung der Abwehr eines übermächtigen Gegners, im Gegensatz zur Fremdenfeindlichkeit und zum Rassismus.
Die Ablehnung des Existenzrechts Israels als jüdischer Staat oder fundamentale Kritik an der Politik Israels wird von einigen als neuer Antisemitismus bezeichnet. Diese Begriffsverwendung ist jedoch umstritten und wird kontrovers diskutiert.