Eintopf

Das Wort «Ein­topf» wirkt unschul­dig und selbst­ver­ständ­lich, war aber vor der NS-Zeit fast unbe­kannt. Zwar gab es schon lan­ge Zeit Gerich­te, die in einem Topf gekocht wur­den, aber sie hat­ten jeweils regio­na­le Namen. Erst um 1900 tauch­te der über­ge­ord­ne­te Aus­druck «Ein­topf­ge­richt» in Koch­bü­chern auf. Wäh­rend der Hun­ger­jah­re des Ers­ten Welt­kriegs wur­de das Ein­topf­ge­richt dann zu einer häu­fi­gen Not­mahl­zeit. Auch die ver­kürz­te Form «Ein­topf» wur­de ver­ein­zelt schon vor 1933 ver­wen­det.

Die Popu­la­ri­tät die­ses Begriffs ver­dankt sich den Ein­topf­sonn­ta­gen, die seit 1933 durch den Natio­nal­so­zia­lis­mus pro­pa­giert wur­den. An jedem ers­ten oder zwei­ten Sonn­tag der Mona­te März bis Okto­ber soll­te in deut­schen Haus­hal­ten nur ein ein­fa­ches, im Topf gekoch­tes Gericht geges­sen wer­den, anstel­le des übli­chen Sonn­tags­es­sens. Man konn­te den Ein­topf auch in Gast­stät­ten ein­neh­men und sich das Opfer für die Nati­on quit­tie­ren las­sen. Sogar Goeb­bels und Hit­ler selbst nah­men an öffent­li­chen Ein­topf-Schau­es­sen teil und pro­pa­gier­ten den Ein­topf in ihren Reden. Anfangs war die Teil­nah­me am Ein­topf noch frei­wil­lig, wur­de aber ab 1936 zur Pflicht.

Das ein­ge­spar­te Geld soll­te dem Win­ter­hilfs­werk gespen­det wer­den, einer Stif­tung öffent­li­chen Rechts, die Bedürf­ti­ge unter­stütz­te. Das Regime selbst setz­te die Spen­de auf 50 Pfen­nig fest. Block­lei­ter oder Mit­glie­der der Hit­ler­ju­gend kas­sier­ten das Geld mit Sam­mel­büch­sen an den Haus­tü­ren ein.

Oft wird argu­men­tiert, dass «Ein­topf» kein Wort aus dem NS-Voka­bu­lar sei. Den­noch wur­de es seit den 1930er Jah­ren häu­fi­ger gebraucht, wie elek­tro­ni­sche Archi­ve bele­gen. Auch die Ver­wen­dung des Begriffs «Ein­topf­ge­richt» nahm ab 1933 zu. 1934 wur­de das län­ge­re Wort erst­mals im Duden auf­ge­führt, was sicher­lich kein Zufall war. 1941 fan­den auch «Ein­top­fes­sen» und «Ein­topf­sonn­tag» ihren Platz im Duden, wäh­rend «Ein­topf» wei­ter­hin fehl­te. In Zei­tun­gen wur­de die Kurz­form nach 1933 oft noch in Gän­se­füss­chen gesetzt, die all­mäh­lich ver­schwan­den. Den­noch wur­de 1936 in der «Neu­en Welt­büh­ne», die im Pra­ger Exil erschien, gefragt, woher die­ses «neue» Wort stam­me und es sati­risch Adolf Hit­ler selbst zuge­schrie­ben: «Wie ist dem deut­schen Geist-Ernäh­rungs-Dik­ta­tor, der sei­nem Volk lan­ge vor dem gekoch­ten den gedruck­ten Ein­topf vor­ge­setzt hat, die­ses Wort vom Ein­topf über­haupt ein­ge­fal­len?» Die Ant­wort lau­te­te: «Der deut­sche Ein­kopf zeigt heu­te die Nei­gung zum Ein­topf.» Der Ein­topf ist also ein «brau­nes Süpp­chen», dar­an gibt es nichts zu rüt­teln.

Der Sprachaufklärer meint

Da das Wort «Ein­topf» im Gegen­satz zu ande­ren NS-Aus­drü­cken kei­ne Ver­hül­lungs- oder Vor­be­rei­tungs­vo­ka­bel für Mord, Fol­ter und Ver­nich­tung ist, kann man es getrost ver­wen­den. Es gilt mitt­ler­wei­le als ent­na­zi­fi­ziert.

Der Duden rät

Der Duden bie­tet kein Syn­onym für «Ein­topf» an, defi­niert aber unver­fäng­lich: «ein­fa­ches Gericht aus Gemü­se, Kar­tof­feln o.ä. [und Fleisch], bei dem alle Zuta­ten zusam­men in einem Topf gekocht wer­den: Ein­topf aus Gemü­se, Kar­tof­feln und Rind­fleisch.»

14. Juni 2024

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