Fremdvölker

Die Natio­nal­so­zia­lis­tIn­nen ver­wen­de­ten den Begriff «Fremd­völ­ker», um Men­schen zu beschrei­ben, die sie als «ras­sisch min­der­wer­tig» oder «art­fremd» ansa­hen und ver­folg­ten. Zu die­sen Grup­pen gehör­ten in ers­ter Linie Juden, gefolgt von Sin­ti und Roma sowie sla­wi­schen Völ­kern wie Polen, Ukrai­nern, Rus­sen usw. Heut­zu­ta­ge wird der Begriff «Fremd­völ­ker» von rechts­extre­men Grup­pie­run­gen ähn­lich ras­sis­tisch und pole­misch ver­wen­det.

Aller­dings wur­de der Begriff «Fremd­völ­ker» nicht von den Natio­nal­so­zia­lis­tIn­nen erfun­den. In der deut­schen Geschichts­wis­sen­schaft wur­den damit die «bar­ba­ri­schen» Nach­bar­völ­ker der alten Grie­chen und Römer bezeich­net. Eini­ge deut­sche His­to­ri­ke­rIn­nen ver­wen­de­ten den Begriff auch für nicht-rus­si­sche Völ­ker im Rus­si­schen Zaren­reich, wie bei­spiels­wei­se die Völ­ker des Kau­ka­sus. Deut­sche Theolog:innen spra­chen von Fremd­völ­kern, wenn in Bibel­über­set­zun­gen von «Hei­den» die Rede war oder wenn die Völ­ker mit ihren Namen genannt wur­den: etwa Baby­lo­ni­er, Assy­rer, Äthio­pi­er, Ägyp­ter usw.

Die ras­sis­ti­sche Ideo­lo­gie der Natio­nal­so­zia­lis­tIn­nen ver­lieh dem Begriff «Fremd­völ­ker» eine aggres­siv abwer­ten­de Bedeu­tung. Adolf Hit­ler schrieb in «Mein Kampf» über die «völ­ki­sche Welt­an­schau­ung»: «Sie glaubt somit kei­nes­wegs an eine Gleich­heit der Ras­sen, son­dern erkennt mit ihrer Ver­schie­den­heit auch ihren höhe­ren und min­de­ren Wert und fühlt sich durch ihre Erkennt­nis ver­pflich­tet, gemäss dem ewi­gen Wol­len, das die­ses Uni­ver­sum beherrscht, den Sieg des Bes­se­ren, Stär­ke­ren zu för­dern, die Unter­ord­nung des Schlech­te­ren und Schwä­che­ren zu ver­lan­gen».

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Rechts­wis­sen­schaft unter­schied drei Kate­go­rien von Men­schen: ers­tens die Trä­ger des deut­schen Volks­tums, also die­je­ni­gen, die zur deut­schen Bluts­ge­mein­schaft gehör­ten; zwei­tens die Ange­hö­ri­gen frem­der, aber art­ver­wand­ter Völ­ker wie Dänen oder Fran­zo­sen; und schliess­lich die ras­se­frem­den Men­schen, ins­be­son­de­re die Juden. Im Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­den denn auch Juden als der Haupt­feind und das exem­pla­ri­sche Fremd­volk erklärt. Neben ihnen gab es noch ande­re «fremd­völ­ki­sche» Min­der­hei­ten in Deutsch­land, wie die Sin­ti und Roma sowie «Neger­mi­sch­lin­ge» (Deut­sche mit einem afri­ka­ni­schen Eltern­teil).

Nach dem Beginn des Krie­ges und der Erobe­rung Polens gerie­ten wei­te­re Völ­ker unter deut­sche Herr­schaft, die gemäss der NS-Ideo­lo­gie als min­der­wer­ti­ge Fremd­völ­ker ange­se­hen wur­den. Ein Teil der pol­ni­schen Bevöl­ke­rung, der als «ein­deut­schungs­fä­hig» betrach­tet wur­de, wur­de durch die «Deut­sche Volks­lis­te» regis­triert, wäh­rend der Gross­teil der Polen als Fremd­volk betrach­tet und staa­ten­los erklärt wur­de. Im Krieg gegen die Sowjet­uni­on wur­den auch Rus­sen und Ukrai­ner als Fremd­völ­ker behan­delt. Sie hat­ten recht­lich einen schlech­te­ren Sta­tus und muss­ten bereits bei gering­fü­gi­gen Ankla­gen mit der Todes­stra­fe rech­nen. Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Poli­tik gegen­über Fremd­völ­kern führ­te direkt zum Völ­ker­mord an euro­päi­schen Juden sowie an Sin­ti und Roma.

In den letz­ten Jah­ren haben ins­be­son­de­re rechts­extre­me und neo­na­zis­ti­sche Par­tei­en und Orga­ni­sa­tio­nen wie die Natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (NPD) den Begriff «Fremd­völ­ker» ver­wen­det, um Frem­den­hass gegen­über Migran­tIn­nen aus der Tür­kei, Ost­eu­ro­pa oder Afri­ka zu schü­ren. In der Schweiz schrieb der Prä­si­dent der Jun­gen SVP Luzern im Jahr 2009 von «Tau­sen­den von Fremd­völ­kern», die in die Schweiz ström­ten.

Der Sprachaufklärer meint

Der Begriff «Fremd­volk» ist his­to­risch mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und der ras­sis­ti­schen Ideo­lo­gie ver­bun­den. Er wur­de ver­wen­det, um Men­schen abwer­tend zu kenn­zeich­nen und zu dis­kri­mi­nie­ren. Auf­grund sei­nes geschicht­li­chen Kon­texts und sei­ner nega­ti­ven Kon­no­ta­ti­on wird der Begriff heu­te als belei­di­gend, dis­kri­mi­nie­rend und ras­sis­tisch ange­se­hen.

Der Duden rät

Der Duden hat den Begriff «Fremd­volk» in kei­nem Band auf­ge­führt.

13. Juni 2024

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