Indianer

Der Begriff «India­ner» ist eine Fremd- und Sam­mel­be­zeich­nung für die indi­ge­nen Völ­ker Ame­ri­kas und geht auf den Irr­tum von Chris­toph Kolum­bus zurück, der 1492 den ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent erreich­te, aber fälsch­li­cher­wei­se glaub­te, in Indi­en gelan­det zu sein. Obwohl die­ser Irr­tum 1502 durch den Ent­de­cker Ame­ri­go Vespuc­ci auf­ge­klärt wur­de, blieb die ver­all­ge­mei­nern­de Bezeich­nung für die Men­schen in den neu ent­deck­ten Gebie­ten bestehen. Die Betrof­fe­nen leh­nen die­se jedoch ab und bevor­zu­gen alter­na­ti­ve Begrif­fe wie «Indi­ge­nas», «Nati­ve Ame­ri­cans», «First Nati­ons» oder die spe­zi­fi­sche Benen­nung ein­zel­ner Stäm­me.

Vor der Ankunft der Euro­päe­rIn­nen auf dem neu ent­deck­ten Kon­ti­nent hat­ten die indi­ge­nen Völ­ker kei­nen Bedarf an einer über­grei­fen­den Selbst­be­zeich­nung. Die Eigen­be­zeich­nun­gen vie­ler Gemein­schaf­ten bedeu­te­ten damals ein­fach «Mensch». His­to­ri­ker zei­gen, dass die Idee eines ein­heit­li­chen Vol­kes nicht der Rea­li­tät ent­sprach: Archäo­lo­gi­sche Fun­de und For­schun­gen bele­gen, dass es im 15. Jahr­hun­dert etwa zwei­tau­send ver­schie­de­ne Stäm­me mit jeweils eige­ner Kul­tur und Spra­che gab. Die­se Stäm­me waren jedoch nicht iso­liert, son­dern hat­ten unter­ein­an­der Ver­bin­dun­gen, wie Han­del, Arbeits­kräf­te­aus­tausch und Ehe­schlies­sun­gen. Auf­grund die­ser Viel­falt betrach­te­ten die indi­ge­nen Völ­ker die ihnen bekann­te Welt sel­ten als Ein­heit.

Bei ihrer Ankunft und in der Fol­ge­zeit mach­ten sich die Euro­päe­rIn­nen nicht die Mühe, die Reli­gi­on, Poli­tik oder Gesell­schaft der indi­ge­nen Völ­ker zu ver­ste­hen, son­dern betrach­te­ten sie ledig­lich als «Wil­de» oder «Hei­den». Es folg­ten aggres­si­ve Mis­sio­nie­rungs­ver­su­che durch die christ­li­chen Kir­chen und eine Ver­drän­gung der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung durch eine gros­se Anzahl von Sied­le­rIn­nen. Es kam zu zahl­rei­chen blu­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Um die Flut an Sied­le­rIn­nen zu bewäl­ti­gen, ver­ab­schie­de­te der Kon­gress der Ver­ei­nig­ten Staa­ten im Jahr 1830 den soge­nann­ten «Indi­an Rem­oval Act». Über 100’000 Indi­ge­ne wur­den mit mili­tä­ri­scher Gewalt aus ihren Hei­mat­ge­bie­ten im Osten und Süden des Kon­ti­nents ver­trie­ben und in Reser­va­te geschickt, wo eine erzwun­ge­ne Assi­mi­la­ti­on der Ureinwohner:innen statt­fand. Indi­ge­nen Kin­dern wur­den in spe­zi­el­len Inter­na­ten euro­päi­sche Wert­vor­stel­lun­gen auf­ge­zwun­gen, wäh­rend ihre eige­ne Kul­tur igno­riert wur­de.

Erst nach­dem indi­ge­ne Sol­da­tIn­nen im Ers­ten Welt­krieg auf­sei­ten der USA kämpf­ten, erhielt die indi­ge­ne Bevöl­ke­rung 1924 die US-Staats­bür­ger­schaft. Zehn Jah­re spä­ter wur­de im soge­nann­ten «Indi­an Reor­ga­ni­sa­ti­on Act» das Recht der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung auf Aus­übung ihrer eige­nen Kul­tur aner­kannt. Trotz die­ser Ent­wick­lun­gen ver­such­te die US-Regie­rung immer wie­der, die Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker ein­zu­schrän­ken, ins­be­son­de­re wenn wirt­schaft­li­che Inter­es­sen im Spiel waren. Heu­te stel­len die indi­ge­nen Völ­ker nur noch eine Min­der­heit dar.

Der Sprachaufklärer meint

Der Begriff dis­kri­mi­niert gan­ze Bevöl­ke­rungs­grup­pen und soll­te nicht ver­wen­det wer­den.

Der Duden rät

Der Duden bie­tet kein Syn­onym für den Begriff «India­ner» an, son­dern schreibt: «India­ner, India­ne­rin sind Fremd­be­zeich­nun­gen und gel­ten als dis­kri­mi­nie­rend. Eine über­grei­fen­de Selbst­be­zeich­nung für die viel­fäl­ti­gen Bevöl­ke­rungs­grup­pen exis­tiert nicht. Alter­na­ti­ven sind Selbst­be­zeich­nun­gen wie z. B. «First Nati­ons Peo­p­le of Ame­ri­ca» oder «Pue­blos Ori­gi­na­ri­os», Bezeich­nun­gen für kon­kre­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen wie z. B. «Che­ro­kee», «Nava­jo», «Quechua», «Mapu­che» oder For­mu­lie­run­gen wie «indi­ge­ne Bevölkerung/Bevölkerungsgruppen Nord- und Süd­ame­ri­kas.»

10. Juni 2024

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