Der «Schrebergarten» gilt als Inbegriff der deutschen Kleingartenkultur – mit Gartenzwerg, Tomatenstauden und akkurat gestutzter Hecke. Doch der Begriff hat einen sozialreformerischen Ursprung und erzählt mehr über Gesellschaftsmodelle als über Gartennutzung.
Der Begriff «Schrebergarten» geht auf den Leipziger Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808–1861) zurück. Dieser setzte sich für die körperliche und moralische Erziehung von Kindern ein. Nach seinem Tod gründete der Schuldirektor Ernst Hauschild 1864 in Leipzig einen «Verein zur Förderung der Gesundheit durch körperliche Übung». Der Verein liess einen Spielplatz anlegen, und bald darauf erhielten Eltern Beete oder kleine Parzellen zur gärtnerischen Nutzung – um ihre Kinder zu beschäftigen und gesunde Ernährung zu fördern.
Diese «Schreberplätze» entwickelten sich weiter, die Eltern übernahmen mehr Verantwortung für die Parzellen, und bald war der «Schrebergarten» geboren. Zwar hatte Schreber selbst nie Gärten zur Nutzung vorgeschlagen – sein Schwerpunkt war die körperliche Erziehung (Turnen, Gymnastikplätze). Dennoch blieb sein Name mit der «Schrebergarten»-Bewegung verbunden.
Dabei ist der Namensgeber Moritz Schreber selbst nicht unumstritten. Seine Vorstellungen von Erziehung waren stark autoritär geprägt und werden heute der sogenannten «Schwarzen Pädagogik» zugerechnet. Er propagierte körperliche Züchtigung und entwickelte mechanische Vorrichtungen, um kindliches Verhalten – insbesondere Masturbation – zu unterbinden. Seine Ideen prägten eine Pädagogik der Kontrolle und Disziplin, die für viele Kinder traumatisierend wirkte. In psychoanalytischen Kreisen wurde später diskutiert, ob diese Erziehungsmethoden zur psychischen Erkrankung seines Sohnes Daniel Paul Schreber beitrugen.
Der Schrebergarten wurde später zu einem wichtigen Bestandteil urbaner Erholungskultur, vor allem in deutschen und schweizerischen Städten. Die Kleingartenbewegung diente der Selbstversorgung, der Naherholung und der sozialen Kontrolle. Besonders in der Zwischenkriegszeit und während der Weltkriege gewannen Schrebergärten an Bedeutung – nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch als Rückzugsort.
Heute sind «Schrebergärten» ein ambivalentes Symbol: Einerseits stehen sie für Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Stadtbegrünung, andererseits haftet ihnen das Image des spiessbürgerlichen Rückzugs an – mit starren Regeln, Gartenzwergen und Vereinsmeierei. Der Begriff selbst wirkt für manche altmodisch und ist mit einem spezifischen kulturellen Milieu konnotiert.
Besonders in der Schweiz – zunehmend auch in Deutschland – wird häufiger von «Familiengärten» oder «Kleingärten» gesprochen. Diese Begriffe wirken neutraler und entsprechen dem zeitgemässen Selbstverständnis vieler GartenpächterInnen.
Der Sprachaufklärer meint
«Schrebergarten» ist historisch und kulturell aufgeladen – wer neutraler kommunizieren will, greift besser zu «Kleingarten» oder «Familiengarten». Der Begriff bleibt jedoch verständlich und anerkannt.
Der Duden rät
Der Duden beschreibt den «Schrebergarten» als «Kleingarten innerhalb einer Gartenkolonie am Stadtrand». Die Herkunft wird auf Schreber und die Leipziger Bewegung zurückgeführt.
