Totalitäre Ideologien und Regimes bezeichnen vor allem vermeintliche oder tatsächliche Gegner oft als Ungeziefer, Parasiten oder Schädlinge. Diese Art der verbalen Diffamierung bereitete sowohl in den stalinistischen Säuberungsprozessen als auch in der nationalsozialistischen Judenverfolgung die physische Vernichtung vor.
In totalitären Regimen ist die Entmenschlichung von Verfolgten, indem man sie als Ungeziefer erklärt, stets der erste Schritt zur Vernichtung. Wer Ungeziefer ausrottet, betrachtet dies nicht als Mord an Menschen. Daher dient die aggressive Rhetorik auch dazu, die Schuld der Täter zu entlasten.
In «Mein Kampf» beschrieb Adolf Hitler in den Jahren 1925⁄27 «die Juden» nicht als Menschen, sondern als Krankheitserreger: «Er ist und bleibt der typische Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab.»
Diese aggressive Form des Antisemitismus ist älter als der Nationalsozialismus. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Juden als «wucherndes Ungeziefer» bezeichnet, das «zertreten» werden sollte, als «Trichinen und Bazillen», die vernichtet werden mussten. Doch erst mit dem Nationalsozialismus wurde diese Denkweise zur Ideologie eines Staates, der auch die Macht und den Willen hatte, die Vernichtungsideen in die Tat umzusetzen. Anfang November 1941 besuchte Hitlers Propagandaminister Goebbels das Ghetto von Wilna im besetzten Polen und schrieb danach in sein Tagebuch: «Die Juden sind die Läuse der zivilisierten Menschheit. Man muss sie irgendwie ausrotten, sonst werden sie immer wieder ihre peinigende und lästige Rolle spielen. Nur wenn man mit der nötigen Brutalität gegen sie vorgeht, wird man mit ihnen fertig.» Heinrich Himmler äusserte sich ähnlich. Als Reichsführer SS organisierte er die Vernichtung der Juden und sagte: «Sich von Läusen zu befreien, ist keine Frage der Ideologie, sondern eine Sache der Sauberkeit.»
In der Sowjetunion unter Stalin gab es ähnliche «seuchenpolizeiliche» Rechtfertigungen für Massentötungen von Menschen. Stalin sagte 1937 in einer Rede über den Trotzkismus, dass die KPdSU «diese lächerliche und idiotische Krankheit vom Halse schaffen» müsse, und zwar «nicht schlechthin, sondern gründlich, auf bolschewistische Art». «Auf bolschewistische Art» bedeutete blutige Säuberungen, bei denen zwischen 1934 und 1939 Millionen von sowjetischen Bürgern verhaftet und Hunderttausende hingerichtet wurden. In Schauprozessen bezeichnete der oberste Staatsanwalt Wyschinski ehemalige KP-Parteikader als «verfluchte Spottgeburt von Fuchs und Schwein» und «Otterngezücht» und forderte, die Angeklagten «müssen wie räudige Hunde erschossen werden».
Während des Kalten Krieges fanden ähnliche Schauprozesse in den sozialistischen Staaten Osteuropas statt. In der Tschechoslowakei sagte ein Staatsanwalt 1952 vor Gericht über ehemals hochrangige KP-Mitglieder: «Wie tausendarmige Meerpolypen hatten sie sich am Körper der Republik festgesogen und saugten an ihrem Blut und ihrer Kraft.»
In jüngerer Zeit bezeichneten in Ruanda die Hutu vor dem Völkermord 1994 an den Tutsi letztere als Kakerlaken, Schlangen, Gewürm, Stechmücken, Affen usw., die getötet werden sollten. Der kubanische Diktator Fidel Castro nannte Landsleute, die von Kuba in die USA ausreisen wollten, abfällig «Gusanos» (Würmer). Unter Neonazis und Skinheads ist «Zecken» der gängige Schimpfname für Linke und Punks.
In der Schweiz hatte einst die Schweizerische Volkspartei SVP ihre Gegner auf Plakatsujets als Ratten und Raben dargestellt.
Der Sprachaufklärer meint
Menschen als «Ungeziefer» zu apostrophieren, geht zu weit. Wer es dennoch tut, sagt vielleicht mehr über sich selber aus, als über den so betitelten Menschen.
Der Duden rät
Der Duden nennt «Schädling» als Synonym – meint damit jedoch kaum Menschen.