Vergasung

Das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regime ver­wen­de­te ver­schie­de­ne Metho­den, um Men­schen zu töten und sie in den Ver­nich­tungs­la­gern zu ermor­den. Die ers­te Metho­de war die Ver­ga­sung mit Koh­len­stoff­mon­oxid in Gas­kam­mern, die ab Janu­ar 1940 ein­ge­setzt wur­de. Die­se Gas­kam­mern wur­den für schwer­be­hin­der­te Kin­der und spä­ter auch für Erwach­se­ne genutzt, die als «lebens­un­wert» betrach­tet wur­den. Die gehei­men Tötun­gen wur­den als «Eutha­na­sie» bezeich­net und als «Akti­on T4» getarnt. Etwa 70’000 Men­schen wur­den in den sechs NS-Tötungs­an­stal­ten bis im Som­mer 1941 getö­tet. Auf­grund von Gerüch­ten in der Bevöl­ke­rung wur­de die­se Art der Ver­ga­sung zunächst gestoppt.

Kurz spä­ter began­nen die Natio­nal­so­zia­lis­ten mit mobi­len Gas­kam­mern in Polen und den erober­ten Gebie­ten der UdSSR. Juden und sowje­ti­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne wur­den in Last­wa­gen mit Gas ermor­det. Im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Chelm­no wur­den über 150’000 Men­schen mit Motor­ab­ga­sen ver­gast. In den Ver­nich­tungs­la­gern Ausch­witz-Bir­ken­au und Treb­linka wur­de ab Früh­jahr 1942 das Gift­gas Zyklon B ein­ge­setzt. Es wur­de geschätzt, dass etwa eine Mil­li­on Juden in den Gas­kam­mern von Ausch­witz-Bir­ken­au und eine ähn­li­che Anzahl in Treb­linka ermor­det wur­den. In den Lagern Bel­zec, Sobi­bor und Maj­da­nek wur­den die Opfer haupt­säch­lich mit Auto­ab­ga­sen ver­gif­tet. Die Opfer­zah­len betru­gen mehr als eine hal­be Mil­li­on in Bel­zec, etwa 200’000 in Sobi­bor und 60’000 in Maj­da­nek.

Das Gift­gas Zyklon B, auch bekannt als Cyan­was­ser­stoff, wur­de seit 1926 von der Fir­ma Degesch her­ge­stellt. Es wur­de ursprüng­lich zur Schäd­lings­be­kämp­fung in Schif­fen, Kühl­räu­men und Mas­sen­un­ter­künf­ten ein­ge­setzt. Auch in den Kon­zen­tra­ti­ons- und Ver­nich­tungs­la­gern wur­de Zyklon B zunächst für die­sen Zweck ver­wen­det. Da Cyan­was­ser­stoff jedoch in viel gerin­ge­ren Men­gen töd­lich auf Men­schen wirkt, wur­den nur rela­tiv klei­ne Men­gen des Gift­ga­ses für den Mas­sen­mord benö­tigt.

Bereits vor den Gas­kam­mern der Natio­nal­so­zia­lis­ten exis­tier­te die Rede­wen­dung «etwas bis zur Ver­ga­sung tun». Die­se salop­pe Bezeich­nung für eine über­mäs­si­ge Arbeit war in den 1920er und 1930er Jah­ren unter Che­mie­stu­den­ten und Ange­hö­ri­gen der Reichs­wehr üblich. Sie ent­stand wahr­schein­lich aus den Erfah­run­gen des Ers­ten Welt­kriegs, in dem erst­mals Gift­gas ein­ge­setzt wur­de. Ab 1924 wur­den in ver­schie­de­nen ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staa­ten Ver­ur­teil­te in Gas­kam­mern mit Cyan­was­ser­stoff hin­ge­rich­tet.

Der Sprachaufklärer meint

Der Gebrauch die­ser Rede­wen­dung «bis zur Ver­ga­sung» war seit jeher pro­ble­ma­tisch; aber nach Ausch­witz erhielt «Ver­ga­sung» eine Bedeu­tung, die leicht­fer­ti­ges Reden dar­über ver­bie­tet.

Der Duden rät

Auch der Duden rät vom Gebrauch des Begriffs «Ver­ga­sung» ab und schreibt: «Ver­brei­tung fand die Wen­dung im Zusam­men­hang mit Gift­gas­ein­sät­zen im Ers­ten Welt­krieg; im Bewusst­sein vie­ler Men­schen ist sie jedoch auf die Mas­sen­ver­nich­tung der Juden mit Gas im Natio­nal­so­zia­lis­mus bezo­gen. Der Gebrauch der Wen­dung gilt daher heu­te als inhu­man.»

19. Juni 2024

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