Zwerg

Das Wort «Zwerg» hat tiefe Wurzeln in der germanischen Mythologie. Ursprünglich bezeichnete es ausschliesslich kleine, oft handwerklich begabte Wesen aus Sagen und Märchen. Früh wurde der Begriff auch auf Menschen übertragen. Das Grimm’sche Wörterbuch definiert «Zwerg» als Menschen, deren Körpergrösse stark unter dem Durchschnitt liegt, teils mit körperlichen Einschränkungen.

In der Frühen Neuzeit waren sogenannte Zwerge an Fürstenhöfen ein Statussymbol, ähnlich wie Hofnarren oder Kammerdiener. Verwandte Formen finden sich in anderen Sprachen: englisch «dwarf», schwedisch «dvärg» und niederländisch «dwerg». In den althochdeutschen und mittelhochdeutschen Quellen beginnt das Wort noch mit «t» oder «d» – eine Schreibweise, die im Niederdeutschen bis heute üblich ist. Im Mittelhochdeutschen entwickelte sich das «z» im Anlaut.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war «Zwerg» für kleinwüchsige Erwachsene gebräuchlich – in Literatur, Alltagssprache und selbst in Romanen wie Thomas Manns «Der Zauberberg». Erst seit den 1960er-Jahren setzte sich die neutrale Bezeichnung «kleinwüchsig» durch, heute auch in medizinischer Definition (unter 150 cm Körpergrösse).

Der Plural «Zwerge» findet sich bis heute in Namen von Kindertagesstätten, oft in fantasievollen Wortschöpfungen wie «Zwergenland» oder «Elchzwerge». Daneben gibt es metaphorische Wendungen wie «Zwergenaufstand» für eine als unbedeutend empfundene Rebellion. Die Redensart «Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten» wird häufig, aber fälschlich, Karl Kraus zugeschrieben.

In der Biologie steht das Präfix «Zwerg-» für besonders kleine Formen von Tier- oder Pflanzenarten, etwa «Zwergohreule» oder «Zwergbirke». Solche Bezeichnungen gelten nicht als problematisch, da sie sich auf Grössenverhältnisse in der Natur beziehen.

Die Verwendung von «Zwerg» für kleinwüchsige Menschen gilt heute als veraltet und respektlos. Besonders im Kulturbereich wird darüber diskutiert, wie man mit historischen Bezeichnungen umgehen soll. So benannten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 2021 ein Gemälde von «Grosser Hund, Zwerg und Knabe» in «Hund, kleinwüchsiger Mann und Junge» um. KritikerInnen warfen den Verantwortlichen vor, Geschichte nachträglich zu glätten und Begriffe der Vergangenheit an heutige Sprachstandards anzupassen.

Der Fall verdeutlicht ein Grundproblem: Einerseits wollen Institutionen diskriminierende Begriffe vermeiden, andererseits besteht die Gefahr, historische Kontexte zu verfälschen. Dabei geht es nicht nur um «Zwerg», sondern um viele Wörter mit problematischer Vergangenheit.

Der Sprachaufklärer meint

Für den heutigen Sprachgebrauch sollte «Zwerg» ausschliesslich für mythologische oder fiktionale Figuren («Schneewittchen und die sieben Zwerge»), für klar nicht-menschliche Bezeichnungen (Gartenzwerg) oder für fachliche biologische Bezeichnungen genutzt werden.
Für Menschen ist ausschliesslich die respektvolle Form «kleinwüchsig» angemessen.
Ebenfalls kritisch zu sehen ist die Verniedlichung von Kindern als «Zwerge» – dies wirkt infantil und herablassend und sollte in seriösen Kontexten vermieden werden.

Der Duden rät

Der Duden weist auf «diskriminierende Bedeutungen» hin. In der Definition zu «Zwerg» steht: «(in Märchen und Sagen auftretendes) kleines, meist hilfreiches Wesen in Menschengestalt (das man sich meist als kleines Männchen mit Bart und [roter] Zipfelmütze vorstellt)»

22. September 2025

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