Aluhut

Die Dis­kus­sio­nen rund um die Mai­dan-Revo­lu­ti­on in der Ukrai­ne 2013 und 2014 und den dar­auf fol­gen­den Kon­flikt (und spä­te­ren Krieg) mit Russ­land haben der deut­schen Spra­che eini­ge neue Begrif­fe beschert – oder bestehen­de, zuvor kaum genutz­te Wör­ter popu­lär gemacht. Etwa den «Putin-Ver­ste­her» oder – eben – den «Alu­hut». Beson­ders in den sozia­len Netz­wer­ken dien­te letz­te­rer Aus­druck als abwer­ten­de Bezeich­nung für Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker.

Inzwi­schen wird der Begriff auch für Per­sön­lich­kei­ten wie den Sän­ger Xavier Naidoo ver­wen­det, der für sei­ne Nähe zu Ver­schwö­rungs­theo­rien bekannt ist. Die Popu­la­ri­tät des Wor­tes «Alu­hut» ist mitt­ler­wei­le so gross, dass es sogar in der Wer­bung von Media Markt zu fin­den war.

Der Charme des Begriffs «Alu­hut» liegt dar­in, dass er nicht sofort offen­sicht­lich ist. Sei­ne Her­kunft lässt sich auf eine Kurz­ge­schich­te von Juli­an Hux­ley aus dem Jahr 1927 zurück­füh­ren. In «The Tis­sue-Cul­tu­re King» beschreibt Hux­ley die schrul­li­ge Idee, eine Kap­pe aus Metall­fo­lie kön­ne tele­pa­thi­sche Ein­flüs­se auf das Gehirn blo­ckie­ren. Seit den 1980er-Jah­ren exis­tiert im Eng­li­schen der Begriff «tin­foil hat», ursprüng­lich ein Kin­der­par­ty­hut, der dann zur Meta­pher für para­no­ide Men­schen wur­de, die sich vor Tele­pa­thie und Strah­lung schüt­zen wol­len.

Eine sol­che Sprach­fi­gur, bei der ein Teil das Gan­ze reprä­sen­tiert, nennt sich Syn­ek­doche. Ähn­li­che Bei­spie­le wären «Braun­hem­den» für Nazis oder «Hass­kap­pen» für Auto­no­me, die sich oft mit Sturm­hau­ben ver­mum­men.

Die deut­sche Ent­spre­chung «Alu­hut» ist spä­tes­tens seit dem Jahr 2000 nach­weis­bar, als Thea­ter­kri­ti­ker Andre­as Schä­fer den Begriff in der Ber­li­ner Zei­tung benutz­te – damals aller­dings noch für den phy­si­schen Hut selbst. Seit 2011 wird das Wort zuneh­mend als Syn­onym für Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker ver­wen­det.

Der Sprachaufklärer meint

«Alu­hut» ist ein schö­nes Bei­spiel dafür, dass die deut­sche Spra­che immer noch in der Lage ist, eng­li­sche Begrif­fe krea­tiv zu inte­grie­ren. Eine wört­li­che Über­set­zung wie «Blech­fo­li­en­hut» hät­te sich ver­mut­lich nie in der All­tags­spra­che durch­ge­setzt.

Der Duden rät

Wir waren etwas über­rascht (und auch amü­siert), wie aus­führ­lich der «Alu­hut» im Duden statt­fin­det. Es wer­den zwei Bedeu­tun­gen genannt:

  1. aus (meh­re­ren Lagen) Metall­fo­lie (und wei­te­ren Mate­ria­li­en) bestehen­de Kopf­be­de­ckung, die vor­geb­lich gegen bestimm­te Ein­flüs­se wie Tele­pa­thie, Strah­lun­gen usw. schützt
    Gebrauch: Sci­ence-Fic­tion, Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen
  2. männ­li­che oder weib­li­che Per­son, die Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen o. Ä. anhängt
    Gebrauch: umgangs­sprach­lich abwer­tend
1. November 2024

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