Der Begriff ist eine Wortschöpfung mit militärischem Klang, die eine schnelle, entscheidende Kriegsführung suggeriert. Ursprünglich ein propagandistisch aufgeladener Begriff der NS-Zeit, hat sich «Blitzkrieg» weit über den historischen Kontext hinaus in der Sprache etabliert – nicht selten bedenkenlos und ohne Rücksicht auf die brutale Realität dahinter.
Das Wort «Blitzkrieg» taucht bereits Mitte der 1930er-Jahre in deutschen militärtheoretischen Schriften auf. 1936 schrieb ein angeblich ehemaliger Generalstäbler unter dem Pseudonym S. Erckner in Hitlers Verschwörung gegen den Frieden vom «Blitzkrieg, dem Lieblingstraum der deutschen Generale, von dessen Chance sie heute ganz fasziniert sind». Auch Otto Strasser verwendete den Begriff 1937 im Exil, als er in «Wohin steuert Hitler?» die zweijährige Dienstzeit der Wehrmacht als Vorbereitung für einen überraschenden «Blitzkrieg» gegen Frankreich deutete.
Sprachgeschichtlich interessant ist die mögliche (aber nicht eindeutig belegte) Herkunft: Blitzkrieg könnte eine Lehnübersetzung des englischen «lightning warfare» sein. Dafür spricht auch, dass Joseph Goebbels den Begriff im Juli 1939 in einem Grundsatzartikel über England verwendete und den Briten unterstellte, ihre Fachleute bereiteten einen «Blitzkrieg» vor. Der Begriff wanderte also möglicherweise von aussen nach innen – eine Umkehrung der oft angenommenen Genese. Allerdings verwendeten auch internationale Medien (etwa «Time Magazine», September 1939) das Wort schon sehr früh als Beschreibung der deutschen Angriffsstrategie.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs gewann das Wort stark an Bedeutung: Die schnellen Feldzüge gegen Polen, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Griechenland und Jugoslawien führten zur massenhaften medialen Verbreitung. In der NS-Wochenzeitung «Das Reich» wurde 1940 die Bedeutung erläutert: «Der Blitzkrieg besteht […] in der methodischen Vorbereitung (und im Verschweigen) der geplanten militärischen Aktion, dann aber, […] in ihrer blitzschnellen Durchführung.»
Trotz seiner Prominenz war «Blitzkrieg» nie eine offizielle Doktrin der Wehrmacht. Vielmehr handelt es sich um ein journalistisches Schlagwort, das von der Propaganda übernommen wurde. Hitler selbst bezeichnete den Begriff später (im November 1941) als «ein ganz blödsinniges Wort». Tatsächlich war die Grundlage der militärischen Taktik der Bewegungskrieg, wie ihn Carl von Clausewitz bereits im 19. Jahrhundert formuliert hatte – mit Schwerpunktbildung, Überraschungselement und schnellem Durchbruch.
General Heinz Guderian trug entscheidend zur operativen Umsetzung bei: Motorisierte Infanterie, Panzer, Luftwaffe und Funkkommunikation griffen koordiniert an, um den Gegner zu überrollen. Dennoch: Die Vorstellung eines mühelosen, nahezu «sauberen» Kriegs ist trügerisch. Die schnellen Siege der Wehrmacht wurden mit enormen Verlusten erkauft.
Der Begriff «Blitzkrieg» wurde schnell ins Englische übernommen: Der Oxford English Dictionary verzeichnete ihn bereits im Oktober 1939 – zunächst mit erklärender Anmerkung, später als allgemein verständlich. Heute ist er in vielen Sprachen gebräuchlich. Die Punkband «The Ramones» veröffentlichte 1976 das Lied «Blitzkrieg Bop» – in dem Vertrauen, dass das Publikum die Bedeutung des Begriffs versteht.
Problematisch ist dabei die entkoppelte Verwendung: Blitzkrieg wird heute mitunter völlig unreflektiert benutzt – etwa für den israelischen Sechstagekrieg 1967 oder für wirtschaftliche «Blitzoffensiven». Dabei gerät aus dem Blick, dass der Begriff einen zutiefst verschleiernden Charakter hat. Er suggeriert eine technische Effizienz, ja sogar Eleganz, wo in Wirklichkeit Tod, Zerstörung und Gewalt standen.
Der Sprachaufklärer meint
«Blitzkrieg» ist kein neutraler militärischer Fachbegriff, sondern ein propagandistischer Ausdruck mit verharmlosender Wirkung. Der Begriff sollte nur mit kritischer Distanz und im historischen Kontext verwendet werden. In heutigen Texten ist er mit Bedacht zu wählen – insbesondere bei Übertragungen auf nicht-militärische Bereiche.
Der Duden rät
Laut Duden bezeichnet Blitzkrieg eine «Krieg mit rascher Entscheidung»; ursprünglich eine «zu Beginn des Zweiten Weltkriegs entstandene Bezeichnung für die ‹blitzartig› zu Ende geführten Angriffskriege der deutschen Wehrmacht».
