Die «Weltanschauung» war einst das Ersatzwort für «Philosophie». Zwar hatten die Nationalsozialisten keine grundsätzliche Abneigung gegen Fremdwörter – schliesslich bestand der Name ihrer Ideologie aus den Begriffen «national» und «Sozialismus»; beides Fremdwörter. Zu den häufig gebrauchten Ausdrücken der NS-Zeit zählten denn auch Begriffe wie «spontan» und «fanatisch». Eine Verordnung des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von 1937 stoppte jedoch den übertriebenen Eifer mancher Sprachpuristen. Diese Berufung auf die höchste Instanz machte klar: «Der Führer wünscht keine erzwungenen Eindeutschungen und lehnt die künstliche Ersetzung von längst ins Deutsche integrierten Fremdwörtern durch Begriffe ab, die nicht aus dem Geist der deutschen Sprache stammen und die Bedeutung der Fremdwörter oft nur unvollständig wiedergeben.»
Eine Ausnahme machten die Nationalsozialisten beim Begriff «Philosophie». Obwohl gerade Deutschland, ähnlich wie das antike Griechenland, zahlreiche grosse Denker von internationalem Rang hervorgebracht hatte, entschieden sich die Nationalsozialisten dazu, ihr eigenes ideologisches Wertesystem, das auf Rasse, Charakter und Schicksal beruhte, als «Weltanschauung» zu bezeichnen.
Bereits 1919 deutete der sudetendeutsche Politiker Rudolf Jung den von dem Philosophen Immanuel Kant geprägten Begriff «Weltanschauung» im Sinne der Nationalsozialisten um. In seinem Buch «Der nationale Sozialismus», das vor Hitlers «Mein Kampf» und Rosenbergs «Der Mythus des 20. Jahrhunderts» veröffentlicht wurde, entwickelte Jung die völkisch-rassistische und antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus. Dort schrieb er: «Was wir nationalen Sozialismus nennen, ist viel mehr: Es ist eine Weltanschauung.»
Hitler griff diesen Begriff sechs Jahre später in «Mein Kampf» auf und nutzte ihn vielfach. Er sprach von seiner eigenen «fanatischen» Weltanschauung, die das «granitene Fundament» seines Handelns bilde, und stellte sie in Konkurrenz zu anderen Ideologien, wie dem Marxismus, den er ebenfalls als Weltanschauung bezeichnete. Der Begriff «Weltanschauung» faszinierte die Nationalsozialisten wohl auch, weil er ein religiöses, prophetisches Element beinhaltete. Im Dritten Reich wurde «Weltanschauung» schliesslich zu einem allgegenwärtigen Ersatzwort für «Philosophie», wie Victor Klemperer es beschrieb.
Der Sprachaufklärer meint
Obwohl man den Begriff «Weltanschauung» heute unbefangen verwenden kann, ist es wichtig zu wissen, dass die Nationalsozialisten darunter etwas anderes verstanden als das, was etwa im deutschen Grundgesetz gemeint ist: «Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.»
Der Duden rät
Der Duden verortet dem Begriff ins 18. Jahrhundert und umschreibt den Ursprung mit «subjektive Vorstellung von der Welt». Als Synonyme werden «Anschauungsweise», «Denkart», «Denkweise» und «Einstellung» vorgeschlagen.